19.10.2023 16:17
von Petra Basler
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Antragsbeschluss der OWL SPD Regionalkonferenz am 14.10.2023:

Antragsteller*in: Jusos OWL

„Mit unserem bodenlosen Appetit auf unkontrolliertes und ungleiches wirtschaftliches Wachstum ist die Menschheit zu einer Massenvernichtungswaffe geworden. Wir führen Krieg gegen die Natur!“

UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf dem Weltnaturgipfel im Dezember 2022 in Montreal

Zwischen 1989 und 2015 wurden an 60 Standorten in Deutschland (auch in NRW), allesamt in Schutzgebieten, regelmäßig Daten zur Insektenpopulation (Fluginsekten) erhoben. Das erschreckende Ergebnis: Die ermittelten Biomasseverluste betrugen in diesen 27 Jahren über 75 %!

Krefelder Studie

Die Biodiversitätskrise ist ebenso bedrohlich wie die Klimakrise und sollte von der Politik mit der gleichen Dringlichkeit behandelt werden. Biodiversität benötigt ausreichend Raum. Intakte Ökosysteme sollten großflächig erhalten und beeinträchtigte renaturiert werden.“

Der Nationale Sachverständigenrat für Umweltfragen (der auch für seine konsequenten Forderungen zur Energiewende bekannt ist) im Oktober 2021 in einem Impulspapier an die Bundesregierung

Der Weltbiodiversitätsrat geht davon aus, dass aktuell etwa eine Millionen Arten bedroht sind und täglich etwa 130 Tier- und Pflanzenarten aussterben. Es ist unsere Lebensgrundlage, die hier schwindet! Es ist dringend an der Zeit, in vielfältiger Weise zu handeln und diese Entwicklung zu stoppen.

Die Biodiversitätskrise ist ähnlich wie die Klimakrise eine globale Bedrohung, der lokal entgegengewirkt werden muss. Es ist eben keine Option, die vielfältigen Arten Europas am Amazonas retten zu wollen, da es sie dort nicht gibt. Aber ihr Lebensraum ist sehr klein geworden und schrumpft weiter, insbesondere wenn es sich um naturbelassene Lebensräume von einer Größe handelt, in der sich auch ausreichend stabile Ökosysteme mit einer natürlichen Dynamik bilden können.

2007 hatte die Bunderegierung die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ (NSB) beschlossen. Demnach sollten bis zum Jahr 2020 zwei Prozent der Landesfläche einer freien Entwicklung überlassen werden. Dabei sollten Gebiete berücksichtigt werden, die ausreichend groß und weitgehend unzerschnitten einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse ermöglichen. (Anm.: Gebiete unter 1.000 ha gelten grundsätzlich nicht als ausreichend groß im Sinne der NSB.)

Deutschland hat dieses Ziel mit 0,6 % weit verfehlt und ganz besonders weit gefehlt hat das Land NRW! Hier gibt es nur im Nationalpark Eifel entsprechende „Wildnisgebiete“ von mehr als 1.000 ha. Damit kommt NRW bei diesem Ziel nicht auf 2 %, sondern lediglich auf 0,19 % der Landesfläche. Dabei hat selbst unser dicht besiedeltes Land das naturräumliche Potential für die 2 %, sogar auf landeseigenen Flächen.

Siehe dazu: Wildnisstudie NRW, Dr. Bockwinkel (NZO GmbH)), April 2022

Es ist also nicht die Frage, ob wir im dicht besiedelten NRW die Möglichkeit zur Umsetzung von mehr Wildnis und Biodiversität im Sinne der selbst gesetzten Ziele haben, sondern ob wir es wollen und dazu bereit sind, diese existenziell wichtigen Ziele auch im Interessenkonflikt durchzusetzen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg und auf jeden Fall in die richtige Richtung ist die Einrichtung eines zweiten Nationalparks in NRW. Wildnisgebiete i. S. der NBS sind ein wesentlicher Bestandteil von Nationalparken. Nationalparke haben darüber hinaus den Charme, dass sie auch dem Naturerleben, der naturkundlichen Bildung und der Wissenschaft dienen und dadurch sogar belebende regionalökonomische Effekte auslösen.

Ganz im Sinne der Empfehlungen unseres nationalen Sachverständigenrates für Umweltfragen sollte es darum gehen, dass intakte Ökosysteme großflächig erhalten und beeinträchtigte renaturiert werden. Genau dafür eignet sich die ostwestfälische Region aus Egge, Senne und südlicher Teutoburger Wald wie keine andere. Insbesondere der Truppenübungsplatz (TÜP) Senne und die nördliche Eggegebirgsregion bilden bereits heute einen der 30 vom Bundesamt für Naturschutz (BFN) anerkannten Hot-Spots der Biodiversität in Deutschland. Diese Region ist der einzige anerkannte Hotspot, der komplett in NRW liegt.
Zudem gibt es nur für diese Region in NRW bereits seit Jahrzehnten einen starken OWL weit agierenden Verein, der sich für eine Nationalparkausweisung im Bereich der Senne und der Eggegebirgsregion einsetzt. Die Senne und damit der TÜP im Schwerpunkt kommt vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine derzeit nicht für eine Nationalparkdiskussion in Betracht. Die Senne ist daher eine postmiltärische Erweiterungsoption eines Nationalparks Eggegebirge. Zusammen genommen werden sie eines Tages den vielfältigsten Naturraum unseres Landes bilden und zugleich zu den großen terrestrischen Nationalparken in Deutschland gehören. Doch nun gilt es, nach über 30 Jahren Diskussion endlich den Knoten durchzuschlagen und mit der Eggegebirgsregion zu beginnen.

Die Eggegebirgsregion erfüllt auch für sich allein genommen, und sogar beschränkt auf die im Eigentum des Landes NRW befindlichen Flächen, alle Voraussetzungen des § 24 BNatSchG und damit für eine Nationalparkausweisung. Das wurde bereits im LÖBF-Gutachten aus dem Jahr 2005 festgestellt und trifft heute mehr denn damals zu. Denn die Vernichtung der in Teilen der Egge bestandenen Fichtenmonokultur durch den Borkenkäferbefall hat die Artenvielfalt in diesen Neuwaldgebieten sprunghaft ansteigen lassen und bildet zusammen mit den Buchenwaldgebieten der nördlichen und südlichen Eggeregion einen Naturraum außergewöhnlicher Wertigkeit.
Bereits ohne diesen Effekt lag die nördliche Eggeregion mit alleine 4760 ha auf Platz eins und die südliche Eggeregion mit 5220 ha auf Platz 4 im Ranging der über 20 Wildnispotentialflächen in NRW (gem. der Bockwinkel-Studie aus 2022). Verbunden mit dem durch das Absterben der Fichtenmonokultur wiederbelebten Eggekamm, bieten die landeseigenen Flächen der Eggegebirgsregion eine schon außergewöhnliche Qualität für eine Nationalparkausweisung.
Bereits heute beherbergen die gut 12.000 ha Naturraum (rein auf öffentlichen Flächen) 20 Naturschutzgebiete, sieben FFH-Gebiete, sieben Wildnis-Entwicklungsgebiete, zwei Natura-2000-Gebiete, ein Vogelschutzgebiet und vier Naturwaldzellen jeweils ganz oder in Teilflächen. Damit sind schon heute 71,25 % der Fläche des Suchraumes als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Es ist an der Zeit, diesen Hot-Spot der Artenvielfalt als das, was er de facto bereits ist, nämlich als Großschutzgebiet von nationaler Bedeutung auszuweisen und damit nachhaltig seinen Fortbestand zu sichern. 

 

 

Beschlussvorschlag:

Das Anliegen ist viel zu ernst und wichtig und eignet sich daher nicht für durchaus reizvoll erscheinende parteipolitische Profilierungen!

Daher beschließen wir:

  • Wir unterstützen und fordern die baldige Einrichtung eines OWL-Nationalparks auf den landeseigenen Flächen des Eggegebirges.
  • Wir unterstützen und fordern, die Erweiterung des Nationalparks Eggegebirge um den britischen TÜP-Senne und angrenzende Naturschutzgebiete auf öffentlichen Flächen, sobald es die militärische Entwicklung für diese Flächen insgesamt zulässt.
  • Wir unterstützen und fordern:
    Sofern abhängig Beschäftigte durch die Ausweisung eines Nationalparks ihre Arbeit verlieren könnten, soll diesen durch besondere Unterstützungsmaßnahmen eine neue Perspektive erleichtert zugänglich gemacht werden.
    Sofern kleine und mittlere Unternehmer*innen offenkundig oder nachweislich durch die Nationalparkausweisungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, soll ihnen ein angemessenes Überbrückungsangebot unterbreitet werden.

 

 

 

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